Christian Muthspiel & Orjazztra Vienna
Im Auftrag des Festivals “La Strada Graz“ entstand zu dessen 25. Jubiläum das abendfüllende, im Sommer 2022 in der Oper Graz als inszeniertes Theaterkonzert uraufgeführte Werk „La Melodia della Strada“.
Dieses durchkomponierte Programm ist von deutlich theatralischem Charakter, schwelgt mit großem Orchesterklang in den barock opulenten, phantastischen Bilderwelten eines Federico Fellini und erinnert sich fern – und ohne wörtlich zu zitieren – an die wunderbaren Filmkompositionen dessen engen Wegbegleiters und wichtigen künstlerischen Partners Nino Rota.
Der prinzipielle Ansatz des Orjazztra, dass jede(r) Musiker*in für ein ausführliches, improvisiertes Solo als musikalisches Individuum aus dem Kollektiv heraus- und in dieses wieder zurücktritt, spiegelt hier auch ein filmisches Verfahren: Nämlich aus dem öffentlichen Raum, einer Gesellschaft, Gruppe oder Gemeinschaft hinein in das ganz Persönliche, Unverwechselbare und Einzigartige eines Menschen zu zoomen.
Mögen die Bilder im Kopf entstehen.
(Christian Muthspiel)
Christian Muthspiel & ORJAZZTRA VIENNA
Stephanie Schoiswohl, Patrick Dunst, Yvonne Moriel,
Robert Unterköfler, Ilse Riedler, Florian Bauer – saxophones, clarinets
Gerhard Ornig, Lorenz Widauer, Dominik Fuss – trumpet, flugelhorn
Alois Eberl, Daniel Holzleitner, Christina Lachberger – trombone
Viola Hammer – piano
Judith Ferstl, Marc Mezgolits – bass
Judith Schwarz, Marton Juhasz – drums
Christian Muthspiel – compositions, leader
Pressezitate 2022 - Christian Muthspiel & ORJAZZTRA VIENNA
WELTWOCHE
…mal sich mächtig reibende, mal klangmalerisch suggestive, mal flirrende, mal klirrende, dann wieder abgründig vertiefte Klangarchitekturen. Komplex komponiert, mitreißend inszeniert.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
… das "Orjazztra Vienna" leistet, musikalisch wie logistisch, Großartiges.
DER STANDARD
…kompositorischer Raffinesse im Sinne kontrapunktischer Gruppenkräfte…
DOWNBEAT MAGAZINE
…a tight, refreshingly inventive variation on the big band tradition…
BAYERISCHE STAATSZEITUNG
Ein sehr schönes Stück Musik – gleich einer Sinfonie….
SALZBURGER NACHRICHTEN
…17 hervorragende Jazz-SolistInnen in einem faszinierend zersplitternden Klangkörper…
KRONEN ZEITUNG
Ein überschäumender Mix, der das Miteinander von Gemeinschaft und Individuum, von Orchester und Solisten zelebriert. Muthspiels aktuelle Formation in Hochblüte.
KLEINE ZEITUNG
…offensive, komplexe Partitur, die enormes Spannungspotential entwickelt…
DER FALTER
…auch verhaltenere, atmosphärisch aber dennoch dichte und eindringliche Stücke…
WIENER ZEITUNG
Opulente Gaben…Eine Art Avengers-Team des jüngeren heimischen Jazz…
BAYERN KLASSIK
Fast zweieinhalbstunden Musik sind das, herrlich abwechslungsreich, mit Sinn für Dramaturgie…
RONDO
…überragende Soli, klangmächtige Tutti…
KURIER
…überraschende Wendungen im viel bejubelten Stück…
Christoph Ransmayr
La Melodia della Strada
Ein begeistertes Kinopublikum, das sich im Rhythmus eines Lichtspiels im Dunkel wiegt - und dann doch geschlossen von den Klappstuhlreihen aufspringt und auf die Gasse stürmt, um dort den ersten Schnee zu bejubeln….
Ein gutmütiger, knochiger Narr, der den Anstaltswärtern in die Krone einer Platane entkommt und aus der Höhe verzweifelt in den Sommernachmittag schreit: Ich will eine Frau! Wieder und wieder: Ich will eine Frau!, und der kurz vor Sonnenuntergang von einer Zwergin in Nonnentracht über eine Holzleiter unerbittlich zurückgeführt wird in seine Einsamkeit…
Und endlich die Dorfschöne, der aus Gassen und Fenstern bewundernd Gradisca! nachgeseufzt wird, Gradisca!, die in ihren engen Kostümen Männerträume beherrscht und schließlich alle Verehrer doch verläßt, um sich in die Frau eines Polizisten aus der Stadt zu verwandeln…
Haben wir die Schneewirbel in der Gasse vor dem Kino, den Einsamen in der Baumkrone oder die unerreichbare Schöne tatsächlich gesehen und dabei vom Schnee geträumt - oder wurden Gassen und Felder, ein ganzes Dorf und seine Bewohner einmal mehr herbeigeblasen - auf Klarinetten, Tenor-, und Altsaxophonen, Trompeten, Posaunen und einem Flügelhorn, geschlagen, gestrichen, gezupft auf den Saiten eines Kontrabasses, eines Klaviers, den Fellen und Becken eines Schlagzeugs oder durch eine andere der vielen Stimmen des Orjazztra Vienna?
Wer sich von diesem Orchester in einen dichten Kokon aus Melodien einspinnen läßt, in eine Melodia della Strada, der wird solchen und anderen, nie gesehenen Bildern und Traumgestalten begegnen auf einer Straße, die aus der nächsten Nähe in die Weite führt, aus dem Stroh hochsommerlicher Felder in den ersten Schnee oder in das klare Licht der Erinnerung, jedenfalls aber in gerader Linie und ohne Barrieren und Schlagbäume ins eigene Herz.
Konzertprogramm „La Melodia della Strada – Omaggio a Federico Fellini“
Prima Sequenza (Erste Sequenz)
Overture (Ouvertüre)
La parata dei vecchi (Die Parade der alten Männer)
Tarantella balcanica (Balkanische Tarantella)
Danza dell’amore (Liebestanz)
Seconda Sequenza (Zweite Sequenz)
Federico, spirito libero (Federico, der Freigeist)
Il volo dell’immaginazione (Der Flug der Phantasie)
Gelsomina è triste (Gelsomina ist traurig)
Gradisca (Gradisca)
Ginger e Fred (Ginger und Fred)
PAUSA
Terza Sequenza (Dritte Sequenz)
In sala macchine (Im Maschinenraum)
La città delle donne (Die Stadt der Frauen)
La prima neve (Der erste Schnee)
Zampanò e il Matto (Zampanò und Matto)
Quarta Sequenza (Vierte Sequenz)
Danza e funerale (Tanz und Begräbnis)
L'artista del circo (Der Zirkusartist)
Festa di chiusura (Abschlussfest)
Alle Kompositionen von Christian Muthspiel
Dauer: ca. 2 x 50 Min.
Christian Muthspiel
La Melodia della Strada
Ein Hörfilm nach Federico Fellini in vier Sequenzen und 17 Szenen
Prima Sequenza (Erste Sequenz)
Overture (Ouvertüre
Der Vorspann: Im Dunkel beginnend interpretieren sanfte Posaunen die zirzensisch-melancholische Titelmelodie, welche kraft rasch nacheinander einsetzender Gegen-, Unter- und Nebenstimmen zu einem vielgestaltigen, farbenreichen und gleißend hellen Szenenbild anschwillt, um am Ende, innerhalb weniger Augenblicke, zurück ins Dämmerlicht – pianissimo! – hinabzusinken.
La parata dei vecchi (Die Parade der alten Männer)
Solo: Florian Bauer – Baritonsaxophon
Eine kleine Gruppe alter Männer marschiert am Dorfplatz auf. Hinkend, humpelnd, mit krummen Rücken und vom Leben gezeichneten, eindrucksvollen Gesichtern versuchen sie, dem Takt der vorerst noch behäbigen Melodie des tiefen Baritonsaxophons zu folgen. Mit zunehmender Virtuosität der Solostimme verwandelt sich die behäbige Parade in ein kleines Tänzchen; Gelenke knacken, Augen strahlen, zahnlose Münder lachen und ein kurzer Moment der Eleganz und Leichtfüßigkeit, der den Alten wie selige Ewigkeit erscheint, macht Gicht, müde Knochen und die Last des Alters vergessen.
Tarantella balcanica (Balkanische Tarantella)
Solo: Viola Hammer – Klavier
Jetzt wird wild getanzt. Klarinetten und Blechinstrumente duellieren einander, als Degen dienen ungerade Taktarten in schnellen Wechseln. Jetzt bäumt sich, wie von der Tarantel gestochen, das Orchester auf, und die einzelnen Rhythmen und Tanzschritte von zuvor überlagern einander, um gemeinsam auf den vermeintlichen Schlussakkord zuzurasen. Dieser entpuppt sich jedoch als Trugschluss, als Einladung an das Klavier, sich entlang eines ausgedehnten Solos, den Tanzenden vorerst noch Ruhe und Erholung gönnend, abermals bis in ein Furioso als Gipfelpunkt zu steigern, dem, einer langsamen Abblendegleich, als erschöpftes Echo vage Erinnerung an die Ouvertüre folgt.
Danza dell’amore (Liebestanz)
Solo: Robert Unterköfler – Sopransaxophon und Tenorsaxophon
Ein Paar, eng umschlungen und die Welt um sich herum – so scheint es – vergessen habend, schlingert in Zeitlupe über den mit Sägespänen bedeckten Boden eines längst von allen Gästen, Kellnern und der Musikkapelle verlassenen, lediglich von einer einzigen flackernden Neonröhre beleuchteten Tanzlokals. Die minutenlange Metamorphose der Liebesmelodie, vom zartesten Pianissimo hin bis zu ekstatischer Erregung und Lust im Forte-Fortissimo, ereignet sich lediglich in den Köpfen und Herzen der Liebenden. Mit dem Schlusston flammt das Licht noch ein letztes Mal auf und verlischt.
Seconda Sequenza (Zweite Sequenz
Federico, spirito libero (Federico, der Freigeist)
Solo: Stephanie Schoiswohl – Bassklarinette
Bassklarinette, Klavier, Kontrabass, Bassgitarre und zwei Schlagzeuge: Ohne festgelegte Regeln steht es ihnen frei, ihren Ideen intuitiv zu folgen, einander herauszufordern, zu überraschen, zu Reaktionen zu verführen. Ein Wimmelbild aus impulsiven Klangereignissen, spontanen Einfällen, musikalischen Gesten, szenischen Schnipseln. Zäsuren des Orchesters schaffen Schritt für Schritt Ordnung im kreativenChaos, welches allmählich eine Architektur aus Formen, Harmonien und Tonfolgen freigibt. Der vom ersten bis zum letzten Klang durchgehend schlagende Puls war immer schon da und wird wohl ewig weiterschlagen.
Il volo dell’immaginazione (Der Flug der Phantasie)
Patrick Dunst – Altsaxophon
Aus einem getragenen Choral mit Flügelhörnern und Posaunen schälen sich, vorerst zaghaft und behutsam, Kommentare eines Altsaxophons heraus, die schließlich in eine Melodie münden, deren aufsteigender Flug – bei guter Thermik und auf ausgebreiteten Schwingen – bis in die höchstmöglichen Register des Instrumentes führt. Dort oben, hoch über den Gipfeln und mit unbeschränkter Sicht, wird der Solist endlich freigelassen, hört der Notentext auf, ihn zu beschränken.
Gelsomina è triste (Gelsomina ist traurig)
Wir erinnern den traurigen Blick der Gelsomina in „La Strada“, jenen Ausdruck tiefster Enttäuschung einer aus mütterlicher und geschwisterlicher Geborgenheit jäh verstoßenen, jungen Frau, hineingezwungen in eine harte, mitleidlose Welt als Leibeigene des brutalen, vom Leben auf der Straße geprägten und zerstörten Zampanò. Alles Bemühen, es ihrem neuen Herrn recht zu machen, kann nicht verhindern, dass diese verzweifelten Augen einem nahen, einsamen Ende entgegenblicken.
8. Gradisca (Gradisca)
Solo: Lorenz Widauer – Flügelhorn
Die Bewunderte, Begehrte, Angehimmelte. Die Geheimnisvolle, Unnahbare. Die Schönste. Der samtene Klang des Flügelhorns liegt ihr zu Füßen, liebliche Begleitakkorde des Orchesters werben um sie, und zarte Handtrommeln heischen um Aufmerksamkeit. Und Gradisca? – geht einfach vorüber, quer über den Platz, ohne auch nur den Kopf zu wenden, ohne einen Blick.
Ginger e Fred (Ginger und Fred)
Solo: Dominik Fuss – Trompete
Giulietta Masina und Marcello Mastroianni als Amelia Bonetti und Pippo Botticella, die wiederum in jungen Jahren Tanznummern von Ginger Rogers und Fred Astaire erfolgreich nachgeahmt hatten. Dreißig getrennt verlebte Jahre später findet das einstige Liebespaar noch einmal, ein letztes Mal, zusammen, um in der berühmten Fernsehsendung „Ed ecco a voi“ erneut als „Ginger und Fred“ zu steppen. In Konkurrenz zu weiteren Attraktionen der Show –